Lesung mit Tobias Haberl: Unter Heiden – Warum ich trotzdem Christ bleibe

Der Verein der Freundinnen und Freunde des Kapuzinerklosters Olten konnte am 29. Oktober Tobias Haberl für eine Lesung in der Klosterkirche Olten gewinnen. Vorgängig war eine eindrückliche Begegnung mit ihm für Jugendliche aus dem Konfprogramm und den Blöcken der Spurensuche. Um 19.30 füllte sich dann die Klosterkirche bis in die hinteren Reihen für die Lesung.

Durch einen Artikel in der «Süddeutschen Zeitung» mit dem Titel «Unter Heiden» hat Haberl etwas angestossen, was schliesslich zu seinem gleichnamigen Buch geführt hat, das den Untertitel trägt «Warum ich trotzdem Christ bleibe». In seiner Karriere als Journalist in einer eher kritischen Zeitung sind ihm viele Menschen begegnet, denen der Glaube fremd ist, ja, die beim Stichwort Kirche nur noch an Missbrauchsfälle denken und darob all das andere Schöne und Reiche darin vergessen.

Auf seinen Essay erhielt er hunderte Rückmeldungen von Menschen, denen er damit aus der Seele gesprochen hat. Viele fühlen sich einsam als Christ, denn die positive Bedeutung der Kirche findet in der Gesellschaft oft kaum noch Gehör.

Der erste Teil seiner Lesung stammte aus dem Vorwort seines Buches. Er stellt sich schonungslos der kirchlichen Realität, denn die mitteleuropäischen Länder sind in den letzten 50 Jahren zu nichtchristlichen Ländern geworden. Doch aus seiner Sicht stehen viele Glaubenskritiker auf schwankendem Boden, denn sie kennen gar nicht, was sie ablehnen. Und er dreht die Frage um: Was kann das 21. Jahrhundert von den Gläubigen lernen? Wie frei ist der Durchschnittsmensch wirklich? Leiden nicht viele darunter, keinen Glauben mehr zu haben?

Im zweiten Lesungsteil kam er auf seine persönliche Geschichte zu reden. Wie er zum Christen wurde? Durch die Eltern! Sein Vater, Landarzt in Bayern, hat ihm den Glauben vorgelebt und ging regelmässig mit ihm zusammen in die Kirche. Doch die Eltern liessen ihm auch viel Freiheit, dazu sagten sie: «Vergessen sollst du den lieben Gott nicht, denn der liebe Gott vergisst dich auch nicht!» Haberl will aber nicht einfach die frühere Zeit verklären, sie war nicht besser, nur anders. Die heutigen Errungenschaften sind ihm sehr lieb, aber es ist ihm bewusst, dass sie auch einen Preis haben. Dabei geht es nicht immer um die Frage, was es mir bringt. Gerade der Glaube fragt umgekehrt, denn Gott steht zuerst, vor meinem Ego. Doch der Glaube hat auch einen beträchtlichen «Kollateralnutzen» in den Herausforderungen unserer Zeit.

Abschliessend las er noch eine Sequenz aus dem Schlusskapitel zum Thema Zweifel. Er beschreibt die Gedanken und Gefühle auf der Schwelle zur Abendmesse. Radikale Infragestellungen, Genussmöglichkeiten eines lauen Abends und noch manches mehr reizen ihn, sich von der Kirche wieder zu entfernen. Doch schliesslich entscheidet er sich, die Tür zu öffnen und einzutreten: «Jesus soll nicht umsonst gestorben sein».

Der Abend wurde von Pfarrerin Katharina Fuhrer moderiert. Musikalisch bereichert wurde der Anlass durch Thanh Ly am Klavier, im Schlussstück zusammen mit ihrer Tochter Sophie an der Geige. Sehr präzis und virtuos gaben sie diesem ohnehin schon faszinierenden Abend einen krönenden Abschluss.

Pfarrer Uwe Kaiser, Olten